Artikel von Abdullah Redzepi in personalSCHWEIZ
Die Vorstellung von Führung in der Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Zeiten, in denen Führung mit dem Ansatz Command & Control gleichgesetzt wurde, sind vorbei — nun ja, fast. Noch immer neigen Führungskräfte dazu, zu glauben, dass ihre Autorität und Macht durch ihre Titel oder ihre Positionen definiert werden. Doch das ist ein Irrtum. Gute Führung gründet nicht auf Hierarchie oder Status, sondern auf einer positiven und konstruktiven Haltung und entsprechendem Verhalten.
Titel und Positionen: Keine Garanten für gute Führung
Die Anforderungen an Führungskräfte sind in den letzten Jahren gestiegen. Wurde früher Autorität oft mit Titeln und Positionen gleichgesetzt, reicht das in einer Welt, die nicht zuletzt von Komplexität, Unsicherheit und Dynamik geprägt ist, nicht aus, um Mitarbeitende und Teams zu motivieren, zu inspirieren, zu fördern und erfolgreich in die Zukunft zu führen.
Man würde meinen, dass autoritäre oder egozentrische Führungsvorstellungen der Vergangenheit angehören. Füh- rung gepaart mit starren Hierarchievorstellungen, die blind für Bedürfnisse oder Ideen der Mitarbeitenden und Teams ist, der es nicht gelingt, eine positive Arbeits- atmosphäre zu schaffen, existiert nach wie vor. Vielerorts ist noch Führung zugegen, die dazu neigt, primär zu «verwalten» oder zu kontrollieren – Führungskräfte, die nicht Ziele vereinbaren, sondern ihre formale Autorität, ihre Titel oder Position nutzen, um Ziele vorzugeben, Respekt oder Gehorsam durchzusetzen oder Wei- sungen zu erteilen.
Die bittere Wahrheit ist: Diese Art von Führung ist heute nicht effektiv oder an- gebracht. Im Gegenteil. Sie führt zu Unzufriedenheit, Frustration und Demotivation bei Mitarbeitenden, sie hemmt Kreativität, Innovation und Leistungsfähigkeit aller – alles Aspekte, die den langfristigen Erfolg von Unternehmen gefährden.
Haltung und Verhalten machen den Unterschied
Eine gute Führungskraft hat eine positive, konstruktive und lösungsorientierte Haltung. Diese spiegelt sich in einem adäquaten Führungsverhalten wider und ermöglicht es einer Führungskraft, sich so zu verhalten, wie sie es von Mitarbeitenden erwartet. Die Haltung einer Führungskraft ist massgebend dafür, wie sie sich selbst, ihre Mitarbeitenden und Teams, ihre Aufgaben und ihre Umwelt wahrnimmt, bewertet und mit ihnen um- geht.
Eine gute Führungskraft ist Vorbild in Wort und Tat, präsent, engagiert und verlässlich. Sie ist klar, transparent, konsistent, fair, gerecht und anerkennend. Gute Führungskräfte unterstützen, fördern und coachen Mitarbeitende, sind kommunikativ, kooperativ und partizipativ. Darüber hinaus sind gute Führungskräfte flexibel, innovativ, offen für Neues, lernbereit, ehrlich, respektvoll und wert- schätzend. Ausserdem zeichnen sich gute Führungskräfte dadurch aus, dass sie …
… eine langfristige Vision haben, Sinnhaftigkeit vermitteln und für gemeinsame Ziele inspirieren.
… nach dem Warum, Was und Wie fragen und Bedürfnisse antizipieren.
… Vertrauen und starke Teams aufbauen und auf tragfähige Beziehungen setzen.
… authentisch sind und sich auf die Stärken von Menschen konzentrieren.
… Fehler als Lernchancen nutzen, stärkenorientiertes Feedback geben, entwickeln und entfalten.
Gute Führung im Unternehmen etablieren
In einer Zeit des Wandels, die nach neuen Führungskonzepten ruft, ist es mehr als angebracht, sich von überholten Praktiken zu lösen und eine zeitgemässe Führungskultur zu etablieren. Dabei geht es nicht nur um oberflächliche Veränderungen von Titeln oder Positionen, sondern um eine grundlegende Verschiebung der zugrunde liegenden Denkweise und Haltung. Denn es ist die Haltung, die zu verändertem Verhalten, gestärkten Beziehungen und letztendlich zu positiven Ergebnissen, Wachstum und Erfolg im Unternehmen führt.
Es liegt in der Verantwortung von Führungskräften, sich kontinuierlich mit ihrer eigenen Denkweise und ihrem Verhalten auseinanderzusetzen. Dies erfordert nicht nur ein Bewusstsein für individuelle Stärken, sondern auch die Bereitschaft, sich konstruktiver Kritik zu stellen, sie und sich zu reflektieren und ständig an sich zu arbeiten. Die Möglich- keit für kontinuierliche, systematische und individuelle Reflexion und Entwicklung stellt sicher, dass Führungskräfte ihre Fähigkeiten konstant verbessern und den sich wandelnden Anforderungen gerecht werden können.
Führung ist ein partnerschaftliches Zusammenspiel zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Daher ist eine (um- fassende) Einbindung der Mitarbeitenden in den Führungsprozess entscheidend. Dies setzt ein tiefgreifendes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse und Potenziale der Mitarbeitenden voraus so- wie offene Kommunikation, Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Förderung ihrer Entwicklung und Anerkennung ihrer Leistungen. Eine solche kollaborative Dynamik zwischen Führung und Mitarbeitenden ist entscheidend für eine Unternehmenskultur, die auf Respekt, Vertrauen und gemeinsamem Wachstum basiert.
Nicht zuletzt liegt es in der Verantwortung von Führungskräften, die Rahmenbedingungen für eine herausragende Führung zu schaffen. Dazu gehört die Festlegung einer klaren Vision, einer gemeinsamen Strategie und konkreter Ziele, die als Leitfaden für das gesamte Team dienen. Zusätzlich ist eine Unternehmenskultur von Bedeutung, die auf positiven Werten beruht und die individuellen Stärken, Talente und Beiträge der Mitarbeitenden würdigt. Eine transparente und nach- vollziehbare Führungsstruktur sowie eine offene und kooperative Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden sind ebenfalls entscheidend.
Fazit
Gute Führung ist kein Glücksfall – sie ist eine bewusste Wahl, eine Hingabe und vor allem eine unverzichtbare Komponente für langfristigen Erfolg in einer sich kontinuierlich wandelnden Arbeitswelt. Gute Führung ist eine Kunst, die nicht auf Titeln oder Positionen beruht, sondern auf einer Haltung und einem Verhalten, das von Positivität, Konstruktivität und Lösungsorientierung geprägt ist. Sie spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie man führt, nicht in der Bezeichnung auf der Visitenkarte.
Die Verankerung einer guten Führung im Unternehmen erfordert ein intensives Engagement der Führungskräfte für ihre eigene Haltung und ihr Verhalten, den aktiven Einbezug der Teams in den Führungsprozess und die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen, die Gelingen, Fortschritt, Stärken und Wachstum ermöglichen. Auf diese Weise kann eine Unternehmenskultur geschaffen werden, die nicht nur erfolgreich ist, sondern auch inspirierend und motivierend wirkt – eine Kultur, in der jeder Einzelne sein volles Potenzial entfalten kann und in der Teamarbeit und gemeinsamer Erfolg im Mittelpunkt stehen.